Gesten sind mehr als psychologisch verräterische Bewegungen unseres Körpers. Gestik kann Sprache unterstreichen und sogar ersetzen. Sie sorgt für Sympathie unter Gesprächspartnern und ist in mancher Beziehung sogar eine Weltsprache.
Als Manipulatoren werden die Gesten bezeichnet, die nicht Teil der Nachricht sind. Dazu gehören das Reiben des Armes, das Wippen des Fußes oder das Spielen an einer Haarsträhne bei Nervosität. So bauen Sprechende Erregung ab. Diese Gesten sind es, die in der Körpersprache hauptsächlich interpretiert werden.
Doch oft stehen unsere Bewegungen in Verbindung mit dem Wort. Beschreibende Gesten begegnen uns in fast jedem Gespräch. Da wird die Größe des Tisches mit einer begleitenden runden Armbewegung angedeutet, bei der die flache Hand mit der Fläche nach unter zeigt. Eine Kellnerin stellt extra das Tablett ab, um mit mischenden Bewegungen die Zusammensetzung des Apfelnachtischs zu untermalen. Oder eine Wegbeschreibung wird von den Zeigegesten in die entsprechenden Richtungen begleitet.
Gesten haben nicht nur untermalenden Charakter – das begreifen wir intuitiv: Sie verdeutlichen die gesprochene Aussage und setzen sich als Bilder in unserem Gedächtnis fest. Wir merken uns das Gesagte daraufhin besser.
Wie Gesten eine gemeinsame Basis zwischen zwei Menschen schaffen können und damit die gegenseitige Beziehung festigen, beschreibt die Linguistin Judith Holler vom Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Nijmegen in ihrem Artikel „Verhaltenskoordination, Mimikry und sprachbegleitende Gestik in der Interaktion“ für die Zeitschrift Psychotherapie-Wissenschaft:
„Sehr häufig passiert es, dass wir in der Kommunikation die Gesten des Gesprächspartners nachahmen, um zu zeigen, dass wir verstanden haben. Dieser als Grounding bezeichnete Prozess wird für eine erfolgreiche Kommunikation als wichtig angesehen.“
¬ Judith Holler
Und Gesten können sogar noch mehr: „Das Bild dort finde ich schön!“ ist als Aussage nur dann verständlich, wenn wir das zugehörige Deuten mit dem Finger wahrnehmen. Hier ist Gestik deutlich mehr als Untermalung: Sie ist „fester Bestandteil der übermittelten Bedeutung“. Ohne sie sind die gesprochenen Worte unvollständig.
Zu den sprachersetzenden Gesten gehört schließlich „palm up open hand“, die „PUOH“-Geste. Die flache Hand, deren Fläche nach oben zeigt, und die gegen Ende einer Rede oder eines Vortrags gewissermaßen das Wort von einem Sprecher an den nächsten weitergibt, steht nahezu allein für sich und ihre Bedeutung. Sie ersetzt damit die gesprochene Sprache völlig. Zum Großteil werden diese so genannten Embleme sogar überregional, länderübergreifend oder weltweit verstanden. Damit wird Gestik zur menschlichen Universalsprache.
aus: Judith Holler, Psychotherapie-Wissenschaft,
2011/1: 56 – 64